Termin-Shopping wird vom Einzelhandel als Lösung in Corona-Zeiten mit gemischten Gefühlen gesehen. Die eingeführte Pflicht zum Einsatz von Schnelltests bedeutet weitere Kosten für den Händler:in und neue Hürden für die Kunden. Wir glauben, dass dies nur der Auftakt für einen grundsätzlichen Wandel im Fach-Einzelhandel ist.
Wer in den letzten Tagen noch schnell eine Besorgung erledigen wollte, machte die unerfreuliche Erfahrung, dass es nun noch eine Corona-Test-Plicht gibt. Die fünf Euro für den Test und die 15 Minuten Wartezeit bis zum Ergebnis bremsen jede Spontanität und Kauflust aus. Man muss nun einen Termin vereinbaren (Click & Meet) und dazu einen negativen Corona-Test nachzuweisen (Click & Test & Meet). So umständlich dies ist, die meisten Kunden schalten schnell um und organisieren ihren Einkauf entsprechend.
Für den stationären Einzelhändler:in ist diese Regelung aber mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden. Die Test-Plicht muss umgesetzt und in den Vertriebsprozess integrieren werden. Das mag der oder die Eine organisatorisch gut stemmen können, spätestens aber bei der Entscheidung, wie viele Tests man denn im voraus bestellen sollte, ohne zu wissen wie lange die Test-Plicht gelten wird, wird klar, dass Chancen und Risiken immer schwieriger zu managen sind. Nicht wenige, vor allem Fach-Einzelhändler:innen, lassen das Geschäft dann lieber geschlossen. Wir wollen die aktuelle Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Test-Pflicht nicht kommentieren. Uns beschäftigt die Frage, ob es sich hier um eine vorübergehende Unannehmlichkeit handelt, oder ob hier Entwicklungen angestoßen wurden, die den Einzelhandel auch nach der Corona-Krise beschäftigen werden.
Betroffen von der Corona-Krise ist der stationäre Einzelhandel, der unter den Corona-Maßnahmen leidet, Umsatzeinbrüche verzeichnet und vielleicht um die Existenz bangen muss. Der Online-Handel dagegen blüht auf. Tatsächlich ist dies aber eine Entwicklung, die seit Jahren zu beobachten ist. In Deutschland hat sich der Anteil des Onlinehandels seit 2012 verdoppelt und beträgt im Non-Food-Bereich etwa 18%. Während der Onlinehandel regelmäßig zweistellige Wachstumsraten (12,7% per annum) verbuchen kann, wächst der stationäre Handel mit 2,5% seit Jahren kaum und ist in bestimmten Branchen sogar rückläufig. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung zwar beschleunigt (Wachstum des Onlinehandels von 23% in 2020), der Trend wird sich aber nach der Epidemie ganz klar fortsetzen (1).
In 2020 lag der Anteil des Online-Geschäftes im Gesamtmarkt für die Branchen Fashion & Accessoires und CE/Elektro bei fast 40 Prozent.
Dagegen ist der Anteil des Online-Angebotes im Fach-Einzelhandel deutlicher niedriger im Vergleich zum Gesamtmarkt. Der Fach-Einzelhandel holte allerdings in 2020 in einigen Branchen auf.
Wir haben in unserem letzten Blog dargestellt, dass sich das Click & Meet Geschäftsmodell schnell als Kostenfalle für den Einzelhändler:in entpuppen kann, vor allem wenn es als Quick-Fix oder Verzweiflungsaktion eingeführt wird. Click & Meet oder Click & Collect wird aber von den Verbraucher:innen positiv aufgenommen und zeigen ganz deutlich, dass der stationäre Einzelhandel kaum vom Internethandel abgelöst werden wird. Stationärer- und Online-Handel decken sehr unterschiedliche Bedürfnisse ab. Die Vorteile eines Geschäftes wie das persönliche Beratungsgespräch, die Möglichkeit Kleidung auszuprobieren oder die sofortige Verfügbarkeit der Ware werden vom Kunden wertgeschätzt, denn sonst würden die Click & Meet/ Collect Geschäftsmodelle nicht funktionieren (In 2020 haben bereits 44% der Internutzer:innen Click & Collect genutzt (1)). Andererseits und das mag für den Einen oder die Andere ein Wehrmutstropfen sein, die Kunden haben nun spätestens durch die Corona-Krise die Vorteile des Online-Einkaufes verstanden.
Der Einzelhandel, vor allem der stationäre Fach-Einzelhandel wird sich auch nach der Corona-Krise mit hybriden bzw. digitalen Geschäftsmodellen auseinandersetzen müssen, denn ein Status-Quo von vor der Corona-Krise wird es nicht mehr geben. Einige Entwicklungen im Handel sind nicht mehr umkehrbar:
Kunden werden neben dem Produkt und Preis wesentlicher stärker die Einkaufsmöglichkeit (Online, Stationär, Hybrid) in ihre Kaufentscheidung mit einbeziehen. Der Einkaufsweg und das damit verbunden Kundenerlebnis spielt eine zunehmende Rolle, weil der Kunde ganz einfach die Wahl hat.
Angebote (Produkte) und Vertriebswege müssen stärker aufeinander abgestimmt werden. Beispielsweise benötigt junge Mode einen höheren Anteil an digitalen Touchpoints als Mode für Babyboomer. Ein wichtiges Element, warum Click & Meet für einige gut funktioniert, für andere aber nicht.
Marketing wird eine zunehmende Rolle für den Fach-Einzelhandel spielen. Allein auf Laufkundschaft zu setzen oder sich in die "beste Lage" einzukaufen wird nicht mehr ausreichen. Die Kunden kommen nicht mehr automatisch zumindest aber seltener in die beste Lage.
Die Kundensegmente werden granulärer und die damit verbundene Marketing & Vertriebskanäle vielfältiger. Für den Fach-Einzelhandel, der sich Omni-Channel-Strategien nicht so ohne Weiteres leisten kann, eine große Herausforderung, die sehr viel mehr Fokus und eine durchdachte Strategie erfordern.
Es wird mit diesen Punkten deutlich, dass der stationäre Einzelhandel sich stärker digitalisieren muss, selbst wenn er keinen Online-Shop einrichten und das stationäre Geschäft weiterhin betreiben will.
Wer auf das baldige Ende der Corona-Krise mit der Hoffnung wartet, dass dann wieder alles wie beim Alten sein wird, wird enttäuscht werden. Der Wandel hat längst vor der Krise begonnen. Und auch wenn zu erwarten ist, dass Kunden wieder verstärkt den stationären Handel nutzen, so werden die meisten die Vorteile des Online-Einkaufs zu schätzen gelernt haben und flexibel zwischen Online- und stationärem Handel je nach Produkt wechseln. Wir sehen schon jetzt, wie (stationäre) Betriebe geschickt ihr Angebot erweitern, neu positionieren und sich so vom Wettbewerb absetzen. Ob man aktuell sein noch Geschäft geschlossen lässt oder schon mit Geschäftsmodellen wie Click & Meet experimentiert: jetzt ist der Zeitpunkt, sein Geschäftsmodell zu überdenken und es entweder digitaler und fokussierter erweitert oder völlig erneuert.
(1) HDE-Online-Monitor 2021: Corona löst Wachstumsschub für Click & Collect und Online-Marktplätze aus (10.5.2021).
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