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Life Science 4.0: KI als “Allheilmittel” für KMU?

Autorenbild: Titus KalettaTitus Kaletta

Röntgenbild mit KI-Kapsel und DNA-Strang sowie Moleküle (Julien Tromeur, Unsplash)

KI revolutioniert den Life-Science-Sektor – doch ist sie wirklich das “Allheilmittel” für KMU? Während die Automobilbranche längst von KI profitiert, stecken Pharma- und andere Bereiche noch in den Kinderschuhen. Dabei bieten KI-Lösungen enorme Potenziale in Forschung & Entwicklung sowie Marketing und Vertrieb. Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand, erfolgreiche Anwendungsfälle und strategische Ansätze für den gezielten Einsatz in KMU.



 


Zusammenfassung

  1. KI entwickelt sich zum zentralen Wettbewerbsfaktor im Life-Science-Sektor, getrieben durch eine wachsende Zahl innovativer Start-ups und deren neuen Partnerschaften mit etablierten Unternehmen – trotz branchenspezifischer Herausforderungen.

  2. KI eröffnet Life-Science-KMU vielfältige Anwendungsmöglichkeiten – von automatisiertem Marketing und optimierter Kundeninteraktion bis hin zur beschleunigten Forschung. KI kommt überall zum Einsatz und sichert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.

  3. Eine erfolgreiche KI-Implementierung ist nicht allein eine Frage des richtigen Anwendungstools, sondern erfordert eine gezielte und schrittweise Integration sowie realistische Erwartungshaltung – denn weder ist KI ein bloßes Hilfsmittel für KMU noch ein Allheilmittel, das jedes Problem „auf Knopfdruck“ löst.



Inhaltsverzeichnis



  

 



1.     KI-Nutzung in Life-Science-Unternehmen: Ein kurzer Branchen-Review


Schneller, präziser, effizienter – Künstliche Intelligenz (KI) verändert den Life-Science-Sektor grundlegend. Insbesondere Pharma- und Biotechunternehmen, aber auch Medizinprodukte- und Diagnostikhersteller stehen vor einer neuen Ära, in der KI Geschäftsmodelle transformiert, Partnerschaften neu definiert und etablierte Prozesse herausfordert.

Doch während andere Branchen (z.B. der Fahrzeugbau) bereits tief in die KI-Transformation eingestiegen sind, steckt die Life-Science-Industrie vielerorts noch in den Anfängen. So setzen gerade einmal 8 % der Pharma- und Chemieunternehmen KI aktiv ein und weitere 13 % erwägen einen Neueinstieg.



Diagramm zur KI-Nutzung und geplanter Nutzung im Branchenvergleich
Quelle: Fraunhofer-Institut, deutschlandweite Erhebung (12/2024)

Branchenspezifische Hürden stehen den deutlichen Wettbewerbsvorteilen jedoch nicht entgegen: Über 200 Start-ups weltweit – viele davon in Europa – betreiben bereits KI-gestützte Arzneimittelforschung (GreyB 2020). Auch Großkonzerne reagieren: 2023 gingen erstmals alle Top-10-Pharmaunternehmen Kooperationen mit KI-Firmen ein (GreyB 2020, siehe Beispiel weiter unten).

Deloitte erwartet, dass KI bis 2025 – also noch in diesem Jahr – zum „zentralen Wettbewerbsfaktor“ wird. Wer heute investiert, verschafft sich einen entscheidenden Vorsprung in einer Branche, in der sich das Potenzial von KI gerade erst zu entfalten beginnt.


2.     KI-Anwendungsbereiche und inspirierende Fallbeispiele

Wie kann KI nun konkret genutzt werden? Die Anwendungsbereiche sind tatsächlich vielfältig und erstrecken sich über die gesamte Wertschöpfungskette: automatisierten Analyse medizinischer Diagnose-Daten, KI-gestützte Arzneimittelforschung, KI-gestütztes Patientenrekrutierung, intelligentes Marketing und Vertrieb. Schauen wir uns einige Praxisbeispiele an.


2.1      KI als Wettbewerbsvorteil in Marketing & Vertrieb


Laut einer Studie von McKinsey berichten Pharmaunternehmen, die KI einsetzen, von einer 20-prozentigen Effizienzsteigerung und einer 15-prozentigen Steigerung der Kundenbindung. Das klingt erstmal gut. Aber wie soll das funktionieren?



KI-Einsatz im Marketing


A) KMU-freundliche automatisierte Marketingaktivitäten


Viele KMUs haben begrenzte Ressourcen für Social-Media- und andere Marketingkampagnen. Doch wie bleibt man mit wenig Personal trotzdem sichtbar?


KI kann die Planung, Veröffentlichung und Analyse von Kampagnen, Inhalte in Echtzeit automatisiert optimieren und die Reichweite bei relevanten Zielgruppen steigern. Gleichzeitig kann KI-gestützte Wettbewerbsanalyse genutzt werden, um die Social-Media-Strategien der Konkurrenz zu verfolgen, Branchenentwicklungen auf Fachkongressen zu analysieren und Markttrends zu identifizieren.

Fiktives Beispiel: Ein Biotech-Start-up nutzt eine KI-Plattform, die Social-Media-Posts automatisch veröffentlicht und Interaktionen auswertet. Parallel beobachtet das System Wettbewerber, analysiert neue Themen auf virtuellen Fachveranstaltungen und identifiziert relevante Marktveränderungen. Diese Echtzeit-Daten fließen direkt in die Kampagnenstrategie ein, sodass Inhalte passgenau entwickelt und Marketingbudgets gezielter eingesetzt werden.


Chancen: KI macht digitale Marketingstrategien effizienter – wovon vor allem Unternehmen mit kleinen Teams profitieren können. Sie reduziert den manuellen Aufwand erheblich, aber nicht ganz. Denn am Ende zählt natürlich auch Ihre persönliche Note, vor allem bei der Content-Erstellung.

Darüber hinaus ermöglicht KI-gestütztes Social Listening und Marktmonitoring, die Wettbewerbsaktivitäten ganzheitlich zu analysieren, um frühzeitig auf neue Chancen zu reagieren. 



B)     Smarter Kundensupport – zeitsparend und dennoch persönlich


Dienstleister aus dem Life-Science-Sektor stehen vor der Herausforderung, Kundenanfragen effizient zu bearbeiten, ohne lange Wartezeiten oder starre Telefonmenüs. Gerade für KMU ist es schwer, rund um die Uhr schnellen Support zu bieten.


Was wäre, wenn eine KI freie Kundenfragen versteht, direkt passende Antworten liefert und bei Bedarf an einen Mitarbeiter weiterleitet?

Fiktives Beispiel: Ein mittelständischer Arzneimittelhersteller setzt KI-Sprachassistenten im Call-Center ein. Kunden erhalten sofort relevante Informationen, ohne sich durch endlose Menüoptionen zu navigieren. Erkennt der Sprachassistent Unzufriedenheit in der Stimme, wird automatisch ein Servicemitarbeiter:in hinzugezogen.

Chancen: KI optimiert den Kundenservice, verkürzt Wartezeiten und sorgt für gezielte Interaktion – das verbessert die Kundenzufriedenheit und entlastet das Serviceteam.


2.2     KI als Erfolgsfaktor in der Forschung & Entwicklung


Eine Deloitte-Umfrage aus Dezember 2024 zeigt, dass Unternehmen KI zunehmend für innovative Ansätze in F&E einsetzen. Welche Fortschritte dadurch erzielt werden können, veranschaulichen die folgenden Praxisbeispiele.

A)     KI-basierte Arzneimittelforschung – schneller zur Wirkstofffindung? 


Die Suche nach wirksamen Medikamenten ist zeitaufwendig und teuer. Doch was wäre, wenn KI diesen Prozess erheblich beschleunigen könnte? KI ist in der Lage große und komplexe Datensätze auszuwerten, reduziert aufwendige Labortests und optimiert die Auswahl erfolgversprechender Wirkstoffkandidaten.

Konkretes Beispiel: Recursion (ehemals Exscientia) ist ein britisches Unternehmen, welches mithilfe von KI einen Wirkstoff gegen Zwangsstörungen (OCD) entwickelte und ihn in weniger als 12 Monaten in eine Phase-I-Studie brachte – ein Prozess, der sonst rund vier Jahre dauert. 2023 schloss das erfolgreiche KMU eine 5,2-Milliarden-USD-Partnerschaft mit Sanofi, um die KI-gestützte Medikamentenentwicklung weiter voranzutreiben.

Chancen: Warum sollten nur große Pharmakonzerne von KI profitieren? Auch KMUs können durch intelligente Algorithmen ihre Forschung beschleunigen, Kosten senken und sich als attraktive Partner für globale Unternehmen positionieren.


B)     KI-optimierte Netzhautdiagnostik – Screening in der Hausarztpraxis


Augenerkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren, ist entscheidend – doch viele Betroffene erhalten erst spät eine genaue Diagnose. KI kann hier Abhilfe schaffen.

Konkretes Beispiel: Ein interessanter Anwendungsfall hierfür stellt das KI-gestützte Diagnosesystem IDx-DR (heute LumineticsCore™) vom US-Unternehmen Digital Diagnostics dar. Dieses erkennt vollautomatisch diabetische Netzhauterkrankungen in Hausarztpraxen – ohne vorherigen Augenarztbesuch.

Ein geschulter Mitarbeiter nimmt mit einer Funduskamera (Gerät zur hochauflösenden Aufnahme des Augenhintergrunds) zwei Netzhautbilder pro Auge auf. Die Aufnahmen werden an das cloudbasierte KI-System übermittelt, das sie innerhalb einer Minute analysiert und zwei mögliche Ergebnisse liefert: Kein Befund → Kontrolle in zwölf Monaten

Diabetische Retinopathie erkannt → Überweisung zum Augenarzt


Das Produkt erhielt 2018 als erstes KI-System überhaupt die Zulassung der FDA. Wie eine Studie zeigt, ist die KI-basierte Software in der Lage dazu, 87 von 100 Patienten mit einer milden Form von diabetischer Retinopathie korrekt zu diagnostizieren (Nature Digital Medicine).

Chancen: Schnellere Diagnosen, flächendeckendes Screening auch ohne Fachärzte und eine bessere Früherkennung für Millionen Diabetiker – ein Meilenstein in der KI-gestützten Medizintechnik.


Ob zur Förderung bahnbrechender Innovationen oder zur enormen Effizienzsteigerung im Marketing und Vertrieb – Künstliche Intelligenz ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Frage ist daher nicht mehr, ob KI die Pharma- & Biotechbranche erobert, sondern wie schnell Unternehmen ihre Chancen ergreifen. Doch mit welcher Haltung und Herangehensweise, lassen sich KI-Lösungen nun konkret in KMU umsetzen?



3.     Realistische Erwartungen, smarte Umsetzung


Vielleicht denken Sie jetzt: „Beeindruckend, wie einige Life-Science-KMU KI-Lösungen bereits erfolgreich einsetzen, aber…“ – und ja, KI ist weder ein bloßes Hilfsmittel noch ein Allheilmittel, das jedes Problem „auf Knopfdruck“ löst. Ihr Einsatz erfordert weiterhin Zeit, Budget und muss regulatorische Anforderungen erfüllen. Gerade in KMU mit begrenzten Ressourcen wird das Thema dann schnell vertagt.


Dabei existiert längst ein breites Spektrum an KI-Tools für Marketing, Vertrieb– ChatGPT ist nur eines von vielen. Doch wo liegt der optimale Einstiegspunkt angesichts der Vielzahl an KI-Werkzeugen? Eine gut durchdachte KI-Strategie vermeidet Fehlinvestitionen und konzentriert sich auf den Mehrwert durch KI.


Im Bereich Forschung & Entwicklung wiederum können Life-Science-KMU – ob Arzneimittel-, Medizinprodukte- oder Diagnostikhersteller – KI entlang der verschiedenen Phasen, von der Grundlagenforschung über die präklinische Entwicklung bis hin zu klinischen Studien und Markteinführung, gezielt einsetzen. Je nach Bedarf besteht dabei die Wahl zwischen selbst entwickelten KI-Lösungen und bereits für KMU gut zugängliche KI-Software externer Anbieter.


Die Technologie allein ist also nicht das Kernproblem – es geht vielmehr um die richtige Herangehensweise. Wir verwenden daher ein KI-Reifegradmodell, das Unternehmen einen strukturierten, schrittweisen Einstieg ermöglicht. So lassen sich Potenziale gezielt nutzen, ohne unnötige Risiken einzugehen.


Möchten Sie mehr darüber erfahren? Dann sprechen Sie uns gerne an.


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Quellen:




  • Foto (abgeändert) von Julien Tromeur, Unsplash


Disclaimer: Die in diesem Beitrag genannten Beispiele aus der Industrie dienen ausschließlich zu Illustrationszwecken und stellen keine Empfehlung, Werbung oder besondere Hervorhebung dar. Es existieren zahlreiche weitere vergleichbare Lösungen, auf die hier nicht eingegangen wird. Der Autor unterhält keinerlei Geschäftsbeziehungen zu den genannten Unternehmen und erhält keine Vergütung oder sonstige Vorteile durch deren Erwähnung. Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität.




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