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AutorenbildTitus Kaletta

Derm Assist: Digitale Geschäftsmodelle in eHealth

Aktualisiert: 2. Sept. 2023


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Google hat unlängst seine Gesundheits-App "Derm Assist" vorgestellt. Mit dieser App lassen sich Hauterkrankungen erkennen: Der Nutzer fotografiert die betroffenen Hautstelle, beantwortet ein paar Fragen, und erhält - mittels KI - eine erste Diagnose. Utopie? Die App hat eine CE-Zulassung für Klasse I in der EU. Wir beleuchten das digitale Geschäftsmodell.

 

Wir haben im Frühjahr über Google's Entwicklung eines KI-basierten Algorithmus berichtet, der es erlaubt Hauterkrankungen zu diagnostizieren. Dieser Algorithmus wurde mit Dermatologen entwickelt und hat eine Genauigkeit von 90% im Vergleich zu einer Gruppe von Dermatologen. Dieses System war aber fachfremden Ärzten und Pflegepersonal deutlich überlegen (Nature Medicine 2020). Nun hat Google ein Jahr später die entsprechende App, "Derm Assist", vorgestellt. Der Nutzer fotografiert die betroffene Hautstelle mit seinem Smartphone, lädt drei Fotos in die App und durchläuft einen Fragebogen zu Hauttyp und Symptomen. Der KI-Algorithmus nutzt die Fotos und Patienten-Informationen, vergleicht sie mit 288 gespeicherten von Dermatologen geprüften Krankheitsbildern und listet verschiedene mögliche Krankheiten die zur der betroffenen Hautstelle passen sowie weiterführende Informationen auf. Die App ist als Medizinprodukt der Klasse I in der EU bereits zertifiziert (interessanterweise aber noch nicht durch die FDA).


E-Health und Digitale Geschäftsmodelle


Es gibt mittlerweile unzählige Gesundheits-Apps auf dem Markt, viele davon sind CE-zertifiziert und immer mehr werden auch von den Krankenkassen rückerstattet. Derm Assist ist nun die nächste, ein paar Eingaben, ein paar Daten und dann folgt die Diagnose mit dem üblichen Disclaimer, dass die App den Arztbesuch nicht ersetzen kann. Wir finden diese App allerdings aus medizinischer Sicht schon deswegen interessant, weil es im dermatologischen Bereich bislang wenige Apps gibt und KI-basierte Bildanalyse vorrangig für die Radiologie entwickelt wird. Beispiele sind die Telemedizin-Apps, "Online Hautarzt - AppDoc" oder "Dermanostic", die von zwei deutschen Startups entwickelt wurden oder "SkinVision" der gleichnamigen niederländischen Firma. Uns interessiert die App von Google allerdings auch aus dem Blickwinkel digitaler Geschäftsmodelle.


Zunächst einmal, Google hat nicht wirklich eine neue Diagnostik entwickelt. Weder Biomarker zur Früherkennung oder Stratifizierung von beispielweise Hautkrebs. Es ist nicht einmal die erste dermatologische App. Interessant ist aber, dass Google gar kein Diagnostikunternehmen wie eine Roche oder Siemens Healthcare ist. Google ist bekanntermaßen ein Internetdienstleister und wie schafft es nun ein Internetdienstleister in den Gesundheitssektor vorzudringen? Die Antwort ist, Google hat ein typisches Muster von digitalen Geschäftsmodelle verwendet: durch Kombinatorik von Innovation und Ubiquität des Wissens werden Branchengrenzen aufgelöst. Klingt etwas sperrig. Es bedeutet, dass durch die heutige rasante Technologieentwicklung gepaart mit einem umfangreichen, jedem zugänglichen Wissen, die Hürde in eine neue Branche einzubrechen wesentlich niedriger ist.


Muttermal

Ein Test: Handelt es sich auf der nebenstehenden Abbildung um ein harmloses Muttermal oder bereits um ein Melanom im Frühstadium?

Der Nutzen einer Dermatologie-App wird so deutlich. Entweder es kann Entwarnung gegeben werden, oder der Gang zum Hautarzt ist einfach unumgänglich.


Dieses Muster findet man im Geschäftsmodell von iTunes, mit dem Apple die Musikbranche revolutioniert hat. Tesla ist ein weiteres Beispiel. Google hat sich nicht der Erforschung von innovativen Biomarkern zur Früherkennung von Melanomen verschrieben, sondern einfach bestehendes Wissen in der Dermatologie katalogisiert und dem Patienten per KI-basierter Diagnostik zur Verfügung gestellt. Es trifft damit nach eigenen Angaben auf einen riesigen Markt, der von den über zehn Milliarden Suchanfragen zum Thema Hauterkrankung definiert wurde.


Was sollte ein Unternehmen tun?


Die Größe eines Unternehmens allein ist nicht ausschlaggebend, auch Roche hat angefangen, eine App für die Diagnose von Neurodermitis zu entwickeln. Und Google ist mit mehr als drei Jahren Entwicklungszeit nicht deutlich schneller als andere Diagnostikunternehmen. Das Problem besteht eher darin, dass Unternehmen sich ausschließlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und zu wenig Trends beobachten, um Chancen zu erkennen. In Aktivitäten investieren, die mit Unsicherheiten behaftet sind oder nicht sofort den gleichen wirtschaftlichen Beitrag leisten wie das Kerngeschäft, fällt schwer. Man wartet lieber ab. Wenn sich dann ein neuer Trend durchsetzt, beginnt die Aufholjagt. Erfahrungsgemäß ist diese aber teurer und schwieriger, Stichwort Fachkräftemangel im IT-Bereich, als wenn man vielleicht auch mal auf einen Trend setzt, der sich dann als Flop herausstellt.


Es gibt mittlerweile zahlreiche agile oder leane Methoden, die es erlauben, frühe Markt- und Technologie-Trends zu erkennen, ohne große Anfangsinvestitionen Prototypen zu entwickeln und zu testen. Damit kann ein Unternehmen Erfahrungen sammeln und Risiken besser abschätzen. Aus dieser Position kann es dann sehr viel schneller reagieren, wenn sich ein Trend durchzusetzen beginnt, und sein Geschäftsmodell anpassen oder neu erfinden. Tatsächlich geht mit dem Einsatz digitaler Technologien unweigerlich eine Veränderung des Geschäftsmodells einher. Besser ist es natürlich nicht nur zu reagieren, sondern den Trend aktiv zu gestalten und eine Vorreiterrolle einzunehmen. Gerade der Life Science und Gesundheitssektor ist im Umbruch und laut einer aktuellen McKinsey Studie im Bereich digitaler Technologien angreifbar.


Ein Beispiel: in dem ersten Paper hat Google den Prototypen seines KI-Algorithmus mit etwa 16.000 Bildern entwickelt. Die finale App basiert auf 65.000 Bildern allein von diagnostizierten Hauterkrankungen, dazu kommen zahllose Bilder von gesunder Haut und nicht-krankhaften Hautveränderungen. Noch ist Derm Assist nicht auf dem Markt und es bleibt abzuwarten, ob diese App für den Google überhaupt den gewünschten Erfolg erzielt. Die Zukunft für digitale Geschäftsmodelle, die den Gesundheitsmarkt verändern, hat aber bereits begonnen.



 
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